Wird es dieses Mal doch etwas mit
dem viel beschworenen "heißen Herbst" gegen
Sozialabbau, der sich in den vergangenen Jahren zu oft als laue
Luftnummer erwiesen hat? Zumindest gibt es einige Anzeichen dafür,
dass der Widerstand gegen Hartz IV etwas konkretere
Formen annimmt.
Schon Anfang August wurden die
Montagsdemonstrationen aus seligen Bürgerrechtszeiten
am Ende der DDR wieder belebt. Mehrere Tausend Menschen
stimmten den unvermeidlichen Sprechchor "Wir sind das Volk" an. Doch wie vor
fast 15 Jahren mischten auch diverse rechte bis neonazistische Gruppen
kräftig mit. In Köthen taten sich die örtlichen Republikaner besonders
hervor. In Magdeburg waren es eher freie Kameradschaften, die sich dort
unbehelligt an die Spitze der Demonstration setzen konnten.
Andreas Erhold aus dem Umkreis der
rechtskonservativen Deutschen Mittelstandspartei, auf
dessen Privatinitiative die Montagsdemonstration
zustande gekommen ist, will auch künftig niemanden von den
Anti-Hartz-Protesten ausschließen. Schon fragt man sich besorgt, ob die
in der letzten Zeit so oft beschworenen Revolten gegen
Hartz IV etwa eine rechte Schlagseite bekommen.
Diese Entwicklung bedeutet einen
schwierigen Spagat für die die von Erwerbslosengruppen
und emanzipatorischen sozialen Initiativen getragenen
Anti-Hartz-Proteste, die in Vorbereitung sind, aber so richtig erst im
September starten sollen. Einerseits will man die Proteste den rechten
Gruppen, die bisher eine allerdings lautstarke Minderheit auf den
Demonstrationen darstellen, nicht überlassen. Anderseits werden linke
Gruppen nicht einfach mit eigenen Inhalten an einer Demonstration
teilnehmen, auf der offen neonazistische Gruppen zumindest ein
tolerierter Bestandteil sind. Eine Bekämpfung der
rechten Gruppen auf der Demonstration könnte in den
Augen der politisch nicht festgelegten Mehrheit der
Protestierer aber wiederum schnell als eine von au0en hineingetragene
Ideologisierung interpretiert werden.
Die Entwicklungen
bei den kommenden Protesten wird zeigen, ob sich bei die
schweigende Mehrheit der Demonstranten gegen die Rechten wendet, und
sei es nur, weil die ihren Anliegen in den Medien
schaden. Oder findet die rechte Propaganda, die wie
üblich Nichtdeutsche und die US-Konzerne für die soziale
Misere verantwortlich macht, bei einem relevanten Teil der
Unzufriedenen gar Gehör?
Dann könnte ein Szenario eintreten, wie es
in Ansätzen bei den Demonstration für die
Wiedervereinigung Anfang 1990 in Leipzig und Dresden zu beobachten
war. Die Rechten waren dort ein eigenständig agierender, aber offen
geduldeter Teil. Bei den Pogromen gegen Flüchtlinge in vielen
ostdeutschen Städten bekamen sie dann oft mehr oder
weniger offene Zustimmung von einer schweigenden
Mehrheit. Sollte sich eine solche Entwicklung bei den
Sozialprotesten wiederholen, könnte vor allem die NPD, die mittlerweile auf
Basisarbeit vor Ort setzt, davon profitieren. Ein Einzug der dort
konkurrenzlos rechtsaußen kandidierenden NPD in den sächsischen Landtag
am 19.September wird zumindest nicht mehr
ausgeschlossen ( Die Mitte der Gesellschaft?).
Natürlich gibt es auch Aktivitäten gegen
Hartz IV ohne jede rechte Teilhabe. Doch auch an deren
Sinnhaftigkeit darf man zumindest zweifeln. Als wäre die
Anti-Bush-Bewegung aus den Zeiten des Irakkrieges wieder auferstanden,
wird auch jetzt alles und jedes unter dem Label gegen
Hartz initiiert. Hauptsache man ist in den Medien,
scheint die Devise mancher Organisatoren von
Anti-Hartz-Events zu sein.
Mit ihren Kettenbriefe gegen Schröder
schafften es einige Kölner SPD-Funktionäre immerhin, im
Sommerloch Aufmerksamkeit zu erregen.. Das dürfte den
emanzipatorischen Anti-Hartz-Protesten ebenso wenig Impulse
geben, wie der von der PDS-Sachsen initiierte Internetprotest. Zumal
damit der Vorwurf nicht aus der Welt beschafft ist,
dass auch die PDS in Berlin, wo sie in
Regierungsverantwortung steht, die Ausführungsbestimmungen für
Hartz IV mit umsetzt.
Die Wahlalternative Arbeit und Soziale
Gerechtigkeit, die auf Stimmen der wegen der
Sozialgesetze Enttäuschten bei der nächsten Bundestagswahl hofft,
leistet sich noch vor ihrer offiziellen Gründung schon mal einen
handfesten Streit um Organisationsfragen mit dem
Berliner Landesverband. Die Masse der von den
Sozialkürzungen Betroffenen dürfte das wenig interessieren. Die
Rechte aber wird es freuen. Schließlich hat die NPD mit ihrer ewigen
Konkurrenzpartei DVU gerade ein Abkommen geschlossen, sich bei
Landtagswahlen nicht mehr gegenseitig Konkurrenz zu machen.
Editorische Anmerkungen:
Dieser Artikel wurde uns vom Autor mit
der Bitte um Veröffentlichung überlassen. Er war zuvor am 7.8.2004 auf
Telepolis veröffentlicht
worden.